Rheinland-Pfalz Dialekt stärkt regionale Identität

In den Hunsrückgemeinden wird Mosel- oder Rheinfränkisch gesprochen. Archivfoto: dpa
In den Hunsrückgemeinden wird Mosel- oder Rheinfränkisch gesprochen. Archivfoto: dpa

Die einen sagen „Junge“, die anderen „Bube“: Das Platt im Hunsrück ist von Ort zu Ort leicht unterschiedlich. Der Dialektforscher Georg Drenda hat jetzt eine umfangreiche Studie zu den Sprachformen der Region vorgelegt.

Mitten durch den Hunsrück zieht sich eine unsichtbare Grenze: Im nordwestlichen Teil nahe der Mosel sprechen die Menschen anders als im südöstlichen Teil. „Dialekte haben eine sehr hohe Bedeutung für Identität“, sagt der Sprachwissenschaftler Georg Drenda, der nach vierjähriger Arbeit jetzt ein Buch zum „Hunsrücker Platt“ veröffentlicht hat. Darin zeigt er, wie manchmal von Ort zu Ort die Menschen anders sprechen „und sich trotz der Verschiedenheit der Dialekte als Hunsrücker verstehen“.

Unsichtbare Trennlinie

Die beiden Sprachräume sind das Moselfränkische und das Rheinfränkische, zu dem auch Hessisch und Pfälzisch gehören. Die Trennlinie wird oft festgemacht an der Aussprache des Artikels „das“, der moselfränkisch „dat“ ausgesprochen wird. Die Untersuchung Drendas ergab, dass schon in Kirn oder Kirchberg das „dat“ überwiegt, also im größten Teil des Hunsrücks. Nur von der Nahe bis Rheinböllen und Simmern wird der Artikel ohne t ausgesprochen. „„Dat“ und „wat“ sind Schlüsselwörter, die als Signal eingesetzt werden, um die Identität und Herkunft zu zeigen“, sagt Drenda im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Unterschiedliche Sprachräume

Es gibt allerdings nicht nur eine Linie, die sich durch den Hunsrück ziehe, sondern eine Vielzahl von Isoglossen, wie die Grenzen zwischen verschiedenen Sprachformen genannt wird. Auch gibt es Übergangsräume zwischen Mosel- und Rheinfränkisch.

Das im Röhrig Universitätsverlag in St. Ingbert erschienene Buch verdeutlicht die Dialektlinien anhand zahlreicher Karten zu unterschiedlichen Sprachformen. Eine Karte zeigt etwa, dass der Hunsrücker im größten Teil des Gebiets „aich“ sagt, wenn er von sich selbst spricht. Nur im Süd- und Nordosten wird das Personalpronomen in der Standardform „ich“ ausgesprochen. Entstanden sei das „aich“ aus einem im Mittelhochdeutschen lang gedehnten i, erklärt der Wissenschaftler. „Daraus ist dann in der Lautentwicklung ein „ai“ geworden.“

Wechselnde Herrschaftsverhältnisse

Die Zersplitterung der Dialekte im Hunsrück hat ihren Ursprung in der Sprachgeschichte, angefangen bei der Besiedlung des Gebiets durch Kelten, Germanen und Römer. Im Spätmittelalter kam hinzu, dass es im Hunsrück eine Vielzahl von Territorien gab, oft mit wechselnden Herrschaftsverhältnissen. „Politische Grenzen erschweren und behindern den Kontakt zwischen den Menschen diesseits und jenseits des Schlagbaums“, schreibt Drenda. „Die Dialektsprecher beiderseits der Grenze bleiben jeweils unter sich.“ Dazu passt, dass die Trennlinien auch als „Hunsrückschranke“ bezeichnet werden.

Eine Folge solcher politischen Grenzlinien ist etwa die Unterscheidung zwischen Bube und Junge: Nordwestlich einer Linie von Boppard über Kastellaun und Hermeskeil bis Wadern wird ein Knabe als Junge bezeichnet, auf der anderen Seiten als Bube oder Bub.

Im Nachbardorf sprechen sie schon anders

Mitunter klingt das Hunsrücker Platt schon im Nachbardorf etwas anders. In der Ortschaft Horath (Verbandsgemeinde Thalfang) zählten Sprachwissenschaftler 40 unterschiedliche Laute - einer mehr als in der deutschen Standardsprache. Im zehn Kilometer entfernten Beuren (Verbandsgemeinde Hermeskeil) aber umfasst der Dialekt sogar 47 verschiedene Laute, wobei sich die größere Anzahl vor allem aus der Aussprache von Vokalen ergibt: „Im Vergleich zu Horath hat Beuren drei Langvokale mehr.“ So wird etwa „Durst“ in Beuren mit langem ö-Vokal wie „Dööscht“ ausgesprochen.

Feine Unterschiede schwinden

Allerdings schwinden allmählich die feinen Unterschiede von Ort zu Ort, die einzelnen Dialekte gleichen sich immer mehr an: „Die von den Alten gesprochenen lokal differenzierten Ortsdialekte sind bei den Jüngeren teilweise durch eine Spielart des Dialekts ersetzt, die in einem größeren Umkreis Geltung hat.“ Dendra erwartet daher, dass in den kommenden Jahrzehnten die vielfältigen Ortsdialekte einem eher vereinheitlichten Regionaldialekt weichen werden.

Mit seinem Buch will er die Dialektformen festhalten - „bevor der Hunsrück völlig entleert wird“, sagt Drenda mit Blick auf den allmählichen Bevölkerungsrückgang. „Der Klangreichtum eines Dialekts ist sicherlich ein Kulturgut.“ Für den Wissenschaftler am Institut für Geschichtliche Landeskunde der Universität Mainz ist das Hunsrück-Buch ein Abschluss seiner wissenschaftlichen Laufbahn, da er im Herbst in den Ruhestand tritt. Die Dialektforschung des Instituts wird weitergeführt und ist für das ganze Bundesland nach Ansicht Drendas auch von besonderer Bedeutung: „Rheinland-Pfalz verbindet als Bindestrichland auch verschiedene Dialekte.“

Karte aus dem Buch des Sprachwissenschaftlers Georg Drenda. Foto: dpa
Karte aus dem Buch des Sprachwissenschaftlers Georg Drenda.
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